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DER GEHEIME ROSENGARTEN

Er wurde gebaut, um die Bundesregierung vor einem Atomschlag zu schützen. Und um sie für den Gegenschlag zu rüsten. Heute wirken die ausgestellten Reste des ehemaligen Regierungsbunkers nur noch bizarr. Ein Museumsbesuch.

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Der Eingang: Hinter Bäumen versteckt. Bild: Weik

Verfassungsorgane des Bundes“, der ehemals größte Atom-schutzbunker Europas und das geheimste Bauwerk in der Geschichte der alten Bundes-republik. Heute erinnert die Dokumentationsstätte Regierungs-bunker an dieses Kapitel des Kalten Krieges.

Vom Eingang Ahrweiler aus, frisst sich der Bunkerstollen 17,3 Kilometer lang, wie ein Geschwür durch das Schiefergestein. Ein kalter Luftzug weht den Besuchern entgegen, sobald sie den Regierungsbunker betreten. Ein kurzer Schauer durchfährt den

Text: Falk Sinß, Fotos: Sarah Weik & Falk Sinß

Ahrweiler, dass sind herausgeputzte Fachwerkhäuser, eine gothische Kirche und eine intakte Stadtmauer. Kleinstadtidylle pur, die sich an die östlichen Ausläufer des Ahrtals schmiegen, rund 30 Kilometer von der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn entfernt. Rings um das Städtchen, reiht sich auf den Hüglen, Weinberg an Weinberg. Nicht weit davon entfernt, versteckt sich unter Baumwipfeln der Eingang in ein unterirdisches Tunnelgeflecht, dass bis 1989 im Kriegsfall der Zufluchtsort der Bundesregierung geworden wäre. Mehr als 30 Jahre lang verbarg sich hier der "Ausweichsitz der

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Körper, Nackenhaaren richten sich auf. Die Temperatur in der Röhre beträgt konstante 13 Grad Celsius.

Der Hauptstollen ist schmal. Vielleicht vier bis fünf Meter breit. Zwei Lüftungsrohre laufen die Decke entlang. Der Beton wurde glattlackiert. In mausgrau und dunkelgrau. Immer wieder unterbrochen von rostigen Schlieren und Stellen, an denen der Lack in großen Placken abgeblättert ist. Neonleuchten reihen sich wie an der Perlenschnur gezogen durch den Tunnel und spenden ein kaltes Licht. Eine Beleuchtung wie einer Tiefgarage. Oder in einem U-Boot, kurz vor Grund. Der Stollen wird immer wieder unterbrochen durch

das dumpfe Grau der Metalltüren. Engere und beklemmendere Gänge gehen immer wieder links und rechts vom Stollen ab.

Im Falle eines atomaren Angriffs hätte der Regierungsbunker 3.000 Menschen Schutz geboten, darunter dem Bundeskanzler samt Regierung, dem Bundespräsidenten, Mitgliedern des Bundestags und Bundesrats sowie ziviles und militärisches Personal.

Eine Welt in mausgrau: Der Hauptstollen des Regierungsbunker, vier bis fünf breit nur. Bild: Weik

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Das Tunnelgeflecht wäre im Fall eines Dritten Weltkrieges zur subterranen Hauptstadt geworden. Von dort aus wollte die Bundes-

regierung den Gegenschlag ausführen, um das Gleichgewicht des Schreckens aufrechtzuerhalten.

Wenige Meter hinter dem Eingang markieren eine schwarz-gelbe Warnfläche auf dem Boden den eigentlichen Eingang des Bunkers. Ein Hinweis mit roter Farbe an die Wand gemalt, warnt ebenso davor. „Achtung Lebensgefahr! Bei Blinklicht und Hupton Bodenmarkierung nicht betreten.“ Dann nämlich wäre unter Sirenengeheul ein 25 Tonnen schwerer und eineinhalb Meter breiter Koloss aus Stahlbeton aus einem Schlitz in der Wand geschossen und hätte den Eingang innerhalb von zehn Sekunden versiegelt.

Stahlkolosse als Lebensretter: Im Ernstfall schließen sich die Türen automatisch innerhalb von zehn Sekunden. Bild: Sinß

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Nach dem NATO-Beitritt der Bundesrepublik war der Bau eines Ausweichsitzes nötig geworden. Die Planungen begannen 1958, die Bauarbeiten 1962. Codename des Projekts: Rosengarten, nach dem Hobby Adenauers. Um den Platz optimal auszunutzen, zogen die Planer ein Zwischengeschoss in den ehemaligen Eisenbahntunnel ein. Im Untergeschoss befanden sich die 897 Büros und Konferenzräume, im Obergeschoss 936 Schlafräume. Zwei Etagenbetten für vier Insassen und je ein Metalspind standen in den Zellen. Die Wände kahler Beton. Nur der Bundespräsident und der Bundeskanzler hatten Einzelzimmer.

Hinter dem Stahlbeton beginnt der Traum von der strahlungsfreien Oase unter Tage. Wer sie betreten

wollte, musste hier durch: Die Dekontiminationskammer. Zwei weiß gekachelte Räume.

Die Schlafräume: Nutzwert schägt Komfort. Bild: Sinß

Der Besprechungsraum des Bundes-präsidenten: Irgendwie gemütlich. Bild: Weik

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Im Ersten nur ein Müllbehälter für die radioaktiv verseuchte Kleidung. In der Zweiten, sechs Duschen an der einen, ein kleiner Behälter an der anderen Wand. Während des Kalten Krieges war er gefüllt mit einem Gemisch aus Ameisen- und Salzsäure. Dieser Badezusatz sollte die verseuchte Haut reinigen. Einmal abschrubben. Zwei kastenförmige Föhnhauben vervollständigen ein Bild, das auch eine in die Jahre gekommenen Mannschaftsdusche eines Dorffußkickervereins zeigen könnte.

Nach der Dekontiminationskammer folgen weitere 25 Tonnen Stahlbeton, die auf Knopfdruck aus der Wand kommen. Sicher ist sicher. Bedient wurden die Tore im sogenannten Herzstück des Bunkers: der Kommandozentrale. Sie sieht aus, als wäre sie direkt aus dem Raumschiff Orion ins Ahrtal gebeamt worden. Von dort wurde der Regierungsbunker gesteuert und überwacht. Vier Mitarbeiter saßen ständig vor der großen Armatur mit ihren vielen bunten Knöpfen und Lämpchen. Auf drei rechteckigen Bildschirmen beobachteten sie, was vor und im Bunker geschah. Das Ensemble hätte auch jedem sechziger Jahre James-Bond-Film gut zu Gesicht gestanden.

Die Dekontiminationskammer: Wie die Mannschaftsdusche eines Dorfkickervereins. Bild: Sinß

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Mit jedem Schritt weiter in den Berg hinein, verliert sich das Zeitgefühl, wächst die Beklemmung, wird es skurriler. Die sechziger Jahre wurden in dem Bunker konserviert. Der Mief dieser Zeit quillt förmlich aus den Poren der Wände. Im Besprechungsraum des Bundespräsidenten wird der Besucher erschlagen von Wirtschaftswunderbehaglichkeit: Purpurfarbene Kunststoffsessel treffen auf orangefarbene Lampenschirme, die wahrscheinlich nur ungewollt einem Atompilz ähneln.

Der Kontrollraum: Wie die Kulisse eines alten James-Bond-Films. Doch wo ist Dr. No? Bild: Weik

Das Steuerung der Anlage: Für jede Funktion ein Knöpfchen. Bild: Weik

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Die Büros, akkurate Amtsstuben. Aktenordner stehen stramm in Metalregalen. Wählscheiben klobiger Telefone verharren auf den Schreibtischen neben grauen Schreibmaschinen und Sperrholz-Karteikästen. In einer Hängevorrichtung drängen sich Stempel mit den Aufdrucken „Herabgestuft“ und „Bewilligt“. Die deutsche Bürokratie trägt auch im Falle eines Dritten Weltkrieges zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung bei! Eine bizarre Vorstellung, wie Beamte an Schreibtischen sitzen und Anträge bewilligen, während draußen der nukleare Regen vom Himmel prasselt.

Nicht der einzige absurde Gedanke, der sich bei dem Rundgang durch das Museum aufdrängt. Mussten die 3000 wichtigsten Deutschen wirklich 20 Pfennig für die Gesprächseinheit bezahlen, wenn sie aus der Telefonzelle nach Hause telefoniert hätten? Dass Foto einer gelben Telefonzelle, die mitten in dem unterirdischen Labyrinth steht, lässt den Besucher rätselnd zurück. Und hätte sich wirklich jemand auf einen der weißen, geschwungenen Plastikstühle in der Friseurkammer gesetzt, um sich dann die Spitzen schneiden zu lassen, während draußen das gesamte Land in Schutt und Asche liegt?

Die Amtsstuben: Auch im 3. Weltkrieg hätte die deutsche Bürokratie zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung beigetragen. Bild: Sinß

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Das unterirdische Tunnellabyrinth war ein Ort, der das Leben allenfalls verlängert hätte, wie ein Beatmungsschlauch im Hals eines totkranken Patienten. 30 Tage hätte er im Hals der 3000 Insassen gesteckt. Denn Danach hätte die kontaminierte Luft von draußen nicht mehr gefiltert werden können. Die Bewohner hätten den Rosengarten, wie der Bunker in Geheimdienstkreisen wegen Adenauers Vorliebe für diese Blumengattung genannt wurde, verlassen müssen und wären spätestens dann der radioaktiven Strahlung zum Opfer gefallen. Gut möglich, dass sie ihnen nicht einmal dieser Aufschub gewährt worden wäre.

Der NATO-Beitritt der Bundesrepublik 1955 hatte den Bau eines Ausweichsitzes der Bundesregierung nötig gemacht. Die Regierung Adenauer wählte dafür zwei nie genutzte Eisenbahntunnel in der Eifel aus. Die Bauarbeiten am Kuxberg und dem Trotzdenberg begannen 1962. Der Bau des Bunkers sollte das teuerste und geheimste Einzelbauprojekt in der Geschichte der Bundesrepublik werden. Selbst die Bauarbeiter wussten nicht, was sie dort bauten. Das strahlensichere Labyrinth kostete rund 5 Milliarden DM. Der Bau des „Rosengarten“, wie das Projekt in Geheimdienstkreisen genannt wurde, ist vom Bundestag offiziell nie beschlossen, die verbauten Gelder nie in einem Haushalt aufgeführt worden. Vom Eingang Ahrweiler aus, fraßen sich die Stollen wie ein Geschwür durch das Schiefergestein der beiden Eifelberge. Die Gesamtlänge des Bunkers betrug 17,3 Kilometer und hatte eine Fläche von mehr als 83.000 Quadratkilometer.

Das Tunnellabyrinth: Ein Beatmungsschlauch aus Beton und Stahl im Hals eines totkranken Patienten. Bild: Weik

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Im Ernstfall hätte die 110 Meter dicke Schieferdecke über dem Bunker gerade einmal einer Atombombe mit der Sprengkraft der Hiroshimabombe stand- gehalten. Und seine Erbauer wussten das. Schon 1962, als die Bauarbeiten begannen, rechneten Fachleute mit Atomwaffen, die eine 250-mal stärkere Sprengkraft als die Hiroshima-Bombe hatten. Auch war der Bunker keineswegs so geheim, wie er vielleicht sein sollte. Die Stasi wusste über den Rosengarten Bescheid. Die Bomben aus dem Osten hätten ihr Ziel gefunden. So war der Bunker vor allem eine für den Warschauer Pakt in Stein gemeißelte Nachricht: „Wenn ihr auf den roten Knopf drückt, können wir das auch.“ Was dieses Relikt des Kalten Krieges nur noch bizarrer erscheinen lässt. ///

Eingang Ahrweiler: Von hier aus fraßen sich die Stollenauf 17,3 km Länge wie ein Geschwür durch das Schiefergestein der beiden Eifelberge. Bild: Weik

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