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the-robot

the robot

GRISAILLE

die dinge verlieren ihren reiz, ist man ihnen nur lange oder intensiv genug ausgesetzt. die gewohnheit schleckt ihnen mit ihrer riesigen borstenbesetzten zunge farbe und konturen von den gesichtern und nimmt ihnen damit nicht nur ihr lachen, sondern auch ihren wert. was sie zurücklässt, ist unerfreuliche grisaille. sämtliche versuche, einen reiz in der grisaille zu entdecken, eine ästhetik in der pappwelt, einen mythos im gesichtslosen, müssen scheitern.

die eintönigkeit dröhnt in meinen ohren als ich eine straße in einer stadt entlanggehe. alles ist automatisiert, ein roboter unter robotern. der kopf hat die kontrolle ab- und den kampf aufgegeben, treibt im ölbad und richtet die verbliebenen kraftreserven gegen sich selbst. irgendwann erblicken die augen einen bunten fleck auf der leinwand, meiner alltagskulisse. meine beine treten näher, die farbe ist grell weil ungewohnt und schmerzt.

es ist eine postkarte aus irgendwo, adressiert an mich. "viele grüße", unterschrieben von leonie. ich sehne mich nach irgendwo. irgendwann werde auch ich in irgendwo sein. das ist hoffnungstiftende gewissheit. weil wir alle irgendwann in irgendwo sind. ich überlege, wie ich das aufkeimende gefühl bezeichnen soll. nach einer weile: "erleichterung". und für einen kurzen moment kehren die farben zurück.

text: arvid kukoc

2003

bild: limonada

http://flickr.com/photos/limonada/

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Der Schnee reflektiert den Vollmond und füttert den Kontrast in diesem dumpfen Schwarzweissfilm. Aus den Häusern dringt klinikweisses und steriles Licht, im Inneren tanzen die Roboter. Der Schnee schluckt den Schall und kreiert einen Friedhof fürs Ohr. Ich ertrage die Ruhe nicht. Sie drückt mir den Kopf zusammen. Der Schnee liegt knöchelhoch und gibt mir das zweifelhafte Gefühl, zu schweben.

Und dann diese schwarzgekleideten und vermummten Radfahrer, die urplötzlich - und von außen künstlich ins Bild gesetzt - auftauchen, lautlos an mir vorüberfahren und irgendwo wieder verschwinden. Durch meine Gehörgänge strömt eine Sinfonie aus eindringlicher Synthesizer-Improvisation, begleitet von arrangierten Klick-, Knack- und Störgeräuschen, 8-Bit-Sounds und allerhand Mitschnitten von Theaterstücken oder Lyriklesungen.

Der Wald ist trotz des Schnees finster, am Aufgang zum See steht eine Frau, ich erschrecke, blicke sie erschrocken an, sie lächelt, sagt aber nichts, also setze ich meinen Weg fort. Sie schaut mir nach, ich schaue ihr nach, überlege kurz, ob mir diese Frau bekannt vorkommt. Als mir allerdings nichts einfallen will, konzentriere ich mich wieder aufs Joggen und den Waldweg vor mir.

Mein Alltag pumpt mir den Tag über den Kopf mit Öl voll, so dass dieser ohne etwas geleistet zu haben, abends zu nichts mehr in der Lage ist. In 2 Stunden steht mir ein Abendessen mit Leuten bevor, von denen nichts Neues oder gar Überraschendes zu erwarten wäre. Ihre Interessen, Hobbies, Gesprächsthemen, ihre Leben stecken auf der ewigen Kreisbahn fest, doch statt sich gegen das Immergleiche aufzulehnen, akzeptieren sie es nicht nur, sondern fordern es stetig ein. Wie an einer Kette durchs Leben gezerrt, erfreuen sich diese Menschen am Ferngesteuertsein, lachen und winken in die Kamera.

Joggen scheint etwas zu bewirken. In meinem versifften Oberstübchen stehen jetzt für eine Weile die vergilbten Fenster offen und etwas Frischluft drückt sich durch den Gestank ins Innere. Mein Geist, das ehemals so gewissenhafte und fleissige Arbeitstier, ist dem Öl zum Opfer gefallen, liegt ausgeschwemmt und reglos am Boden, stinkt und gammelt vor sich hin. Ob er noch am Leben ist?

Wieder zuhause kommt mir im Treppenhaus die Frau von vorhin entgegen. Sie lächelt schon wieder oder immernoch und flüstert mir im Vorbeigehen ins Ohr: "Willkommen in der Hölle!".

text: arvid kukoc

2003/2008

bild: ejp photo

http://flickr.com/photos/ejpphoto/

SCHNEE

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TECHNO

und dann tanzt du; bestehst nur noch aus tanzen; nimmst nichts mehr um dich wahr; dein körper nimmt irgendwann schaden; stroboskope verbrennen deine augen; deine seele atmet auf; bassdröhnen durchlöchert das gehör; deine seele atmet frei; verlässt ihre hülle; steigt empor; der körper stampft ferngesteuert und in alle richtungen weiter; willst eins werden mit der wundersamen maschine; dem mächtigsten aller wesen; mit dem robotergeist; empfindest nichts als glück; willst selber zum roboter werden; ewig so weitermachen; soll dein körper schaden nehmen; du fühlst dich lebendig; bist nicht mehr du selbst; du lebst; bist endlich du selbst; geboren für den moment; soll er ewig weilen; hihats peitschen; snares stechen; kicks treten deinen körper zusammen; der irgendwann aufgibt; die seele zurück auf die erde holt; aus der hypnose reisst; die erlösung ein weiteres mal aufschiebt; TECHNO.

text:

arvid kukoc

2000

soundtrack:

basic implant - "tricca treat" ( audiolp01)

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Die Zeiten scheinen unwirklich. Mein Leben spielt sich in neonbeleuchteter urbaner Dunkelheit ab. Ich stehe am Fenster eines der preiswerteren Hotels und schaue ihm (meinem Leben) zu, wie es in den Strassen und Gassen übers regennasse Pflaster hetzt. Mein düsteres Hotelzimmer wird alleinig beleuchtet durch das Flimmern, das von meinem Laptop-Bildschirm aus die Nacht in meinem Kämmerlein bekämpft.

Gwen ist in der Stadt. Der Termin zum Abendessen rückt näher, ich mache mich auf den Weg. Auf den verregneten Gassen rennt im Flackerlicht der Laternen mein Leben ein paar Mal an mir vorbei. Bucklige Gestalten, die während der Sonnenphase des Tages wohl in dunklen Verließen der Nachtschwärze auflauern, laufen befremdlich nah an mir vorbei, recken die Hälse in meine Richtung und flüstern Unverständliches.

Auch im Santo's herrscht schummrige Beleuchtung. Die dunkelroten Wände reflektieren kein Licht. Die wenigen Gäste hängen bucklig über ihren Tellern und Schüsseln. Dazu ein sonores Brummen, das aus dem langen Flur neben der Theke zu kommen scheint. Irgendwann kommt Gwen. Ich kann nicht sagen, wie lange ich gewartet habe. Minuten? Tage? Monate? Gwen läuft etwas unrund und kantig. Dann sitzt sie vor mir, blickt mich mit weit aufgerissenen Augen und ihrem von einem maschinellen Lächeln verbogenen Mund direkt an. Ich fühle mich nicht wirklich unwohl, eher teilnahmslos höre ich dem folgenden Dialog zu und beobachte weiterhin mein Leben, wie es draußen vorbeirennt, kurz innehält, mit spitzen roten Augen durchs Fenster blickt, den Kopf einige Male ruckartig wie ein Gecko herumreisst und anschließend erneut fluchtartig das Weite sucht.

Während dem Essen steht Gwen auf, bittet mich meine Sachen vom Tisch zu nehmen und zurückzutreten. Anschließend lässt sie ihn (den Tisch) mit einer raschen Handbewegung in Flammen aufgehen. Mehr überrascht mich allerdings die Tatsache, dass die Gäste um uns herum davon keine Notiz nehmen. Gwen merkt das und meint: "Die meisten Menschen gibt es garnicht. Tote Seelen aus der Hölle, die von den Gewohnheiten der wenigen verbliebenen Menschen bewegt und scheinbar auch belebt werden. Schau gut zu!"

Sie geht an einen der Tische, an dem zwei Personen weit vornübergebeugt sitzen. Als Gwen unmittelbar neben ihnen steht, schrecken sie aus ihrer starren Haltung auf und verbeugen sich in einer Art devoter Abwehrhaltung. Mit einer kurzen Handbewegung lässt Gwen die beiden Zombies rückwärts umfallen und anschließend zu Staub zerfallen. Plötzlich zerreisst ein sehr lebendiger und gellender Schrei die Grabesstille. Die Kellnerin scheint das Geschehen beobachtet zu haben und rennt hysterisch in den dunklen Flur und aus dem Bild.

Draußen verabschiedet sich Gwen. Sie zwinkert, wendet sich um und im nächsten Moment finde ich mich asphaltlägrig vor. Mein Leben ist mit solcher Wucht in mich hineingerannt, dass es mir den sicheren Stand (in unsicheren Zeiten) geraubt hat. Dass mein seltsamer Traum trotz allem noch nicht vorbei ist, wird mir in dem Moment gewiss, als ein "Robot Friend" meinen Weg tanzend versperrt. Auf dem Display in seinem Gesicht tickert "Marco_Zaffarano_-_Live___Evosonic_Radio_-_24-12-1998.mp3" - was aus seinem Bauch zu hören ist, lässt mich die Augen schließen und dem Himmel danken, während im Hintergrund der Mond auf die Erde stürzt. Hier endet das Spiel.

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GWEN

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text: arvid kukoc

orig. title: "dinner with devil"

2000/2008

bild: mzw986

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the robot

mein roboter-ich streift nun schon seit geraumer zeit orientierungs- und vor allem ziellos durch die dunkle vakuum-wüste, die gehässigerweise behauptet, sein / mein leben zu sein. nichts menschliches umgibt mich. ich treibe in einer von allem isolierten blase über oder unter irgendwas im ascheregen der gewohnheit. ab und an werden geräusche oder sprachfetzen aus ihrem kontext gerissen und in meine richtung geschleudert, wo sie mehr oder minder verständlich durch die blase an mein ohr dringen. weit weg wabern schnelle elektronische rhythmen, die meinen körper seit jenem zeitpunkt am leben halten, an dem mein herz aufgehört hat zu schlagen.

mein kopf als fremdkörper in einem ferngesteuerten, bzw. autonom operierenden körper. der bewältigt seinen alltag souverän und zuverlässig. mein kopf wird hierbei nicht benötigt und zeigt sich zunehmend bestrebt, seine eigenen wege zu gehen. automatisiert folgen meine beine den korrekten pfaden, tun meine hände was ihnen aufgetragen und spricht mein mund die richtigen sätze. ich stehe vor dem spiegel, von allem abgeschnitten, um mich ist nichts. ich habe die alltagsrelevante choreographie programmiert und die jukebox zusammengestellt, alles zusammen auf einen chip gespeichert, diesen aufs sternum gesetzt und mit den wesentlichen muskeln, nerven etc. verbunden.

danach schneide ich meinen kopf ab, hefte ihm flügel an und werfe ihn aus dem fenster in die nacht, wo er entweder abstürzt und von der wucht des aufpralls auf solidem beton zerschmettert wird oder eben - entlassen - in seine freiheit fliegt. auf die leere stelle auf meinem hals drücke ich einen zierkürbis und setze diesem eine bautta-maske auf. es wird eine weile dauern, bis jemandem mein schwindel auffällt. schließlich funktioniere ich auch weiterhin tadellos. von meinem kopf werde ich sicherlich bis auf weiteres nichts mehr hören.

(1999/2003/2008)

THE ROBOT

text: arvid kukoc

bild: mike fischer

http://flickr.com/photos/mikefischer/

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